Tages Anzeiger (Themenzeitung), 12.12.13

Inviato da:

Logo_Tagi

Nachhaltigkeit in der IT

Herstellung wie auch Gebrauch von IT-Produkten beeinflussen die Umwelt erheblich. Trotzdem beträgt ihre Lebensdauer heute noch lediglich eins bis fünf Jahre. Diese Vergeudung lässt sich schlecht mit der angestrebten nachhaltigen Entwicklung vereinbaren. Weshalb also nicht einen Rechner entwickeln, der zehn oder mehr Jahre eingesetzt werden kann?

Heute gilt die nachhaltige Entwicklung als weltweit gültige Notwendigkeit, die weit über die simple Einhaltung von Best Practices
in einem bestimmten Bereich wie etwa der Informationstechnologie hinausgeht. Zwar ist die Einrichtung eines neuen Green Data
Center eine gute Sache, da sich damit der Energieverbrauch um bis zu fünfzig Prozent reduzieren lässt. Wenn es jedoch – dank niedrigerer Kosten und verbesserter Leistung – dazu führt, dass sich die Datenströme verzehnfachen, läuft dies den Zielen der nachhaltigen Entwicklung sowie der Fähigkeit zukünftiger Generationen entgegen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen – um die Definition der Brundtlandt-Kommission zu übernehmen.

Ebenso widerspricht das Entsorgen eines noch funktionstüchtigen PCs und der Ersatz durch ein neues Modell mit niedrigerem Energieverbrauch, das jedoch noch kurzlebiger ist, schlicht und einfach der Zielsetzung der Menschheit, sich mit diesen, auf einem einzigen Planeten vorhandenen Ressourcen zufriedenzugeben.

Auf der anderen Seite ist es zweifellos vorstellbar, dass die Umweltauswirkungen durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien grösser werden. Im Gegenzug befähigen sie jedoch die Menschheit dazu, den Weg der nachhaltigen Entwicklung zu beschreiten. Man denke dabei an die Möglichkeiten, durch die IT die Produktionseffizienz zu steigern sowie Energieverteilung und -verbrauch zu optimieren oder einen breiteren, demokratischeren Zugang zum globalen Wissen zu
gewährleisten.

Erste Forderung: Langlebigkeit
Laut kürzlich durchgeführter Studien sind die Umweltauswirkungen durch die Nutzung eines Computers zwei- bis fünfmal geringer als diejenigen aus dessen Herstellung (siehe beispielsweise die «Auslegeordnung ‚Ressourceneffiziente IKT‘» des BAFU, Februar 2011, Seite 6). Wollte man also die raschere Erneuerung der Hardware mit dem Ziel des Umweltschutzes rechtfertigen, müsste die effektive Nutzungsdauer neuer Geräte über zwei- bis fünfmal länger sein!

Der Einfluss der Hardware-Herstellung auf die Umwelt ist insbesondere deshalb so gross, weil Informationstechnologien seltene Metalle sowie Komponenten enthalten, deren Abbau die äusserst umweltschädigende Verarbeitung riesiger Erzmengen erfordert. Doch die multinationalen IT-Grosshersteller scheinen sich weniger entschlossen mit ihren Nachhaltigkeitsbestrebungen von der Konkurrenz abheben zu wollen als mit niedrigeren Produktionskosten oder höherer Innovationskraft.

Nichtsdestotrotz zeigt der Fachbericht 2013 der SWICO ein für die Branche zentrales und bedenkliches Problem auf, nämlich dasjenige der «kritischen Metalle» (siehe SWICO, Fachbericht 2013, Seiten 12-13). Ohne einige dieser hauptsächlich von der Computerindustrie genutzten Metalle kommen die Hersteller nicht aus, doch deren Vorkommen gehen zur Neige. Indium beispielsweise wird für die Herstellung transparenter, leitfähiger Beschichtungen
in Flachbildschirmen benötigt. Das Selten-Erdmetall Neodym wird bei der Produktion hochleistungsfähiger Permanentmagnete in Festplatten eingesetzt. Die heute bekannten Indium-Vorkommen sind in der Lage, die weltweite Nachfrage höchstens noch ein paar Jahre decken – was dann mit den Preisen geschieht, lässt sich unschwer vorhersehen.

Programmierte Nachhaltigkeit
Im IT-Bereich sind über achtzig Prozent der entsorgten Geräte noch funktionsfähig. Ihre Lebensdauer beträgt höchstens ein, zwei Jahre bei den Smartphones und drei bis fünf Jahre bei den PCs. Zu den Hauptgründen dieser Vergeudung zählt die ständige Obsoleszenz der Software, die immer mehr Ressourcen verbraucht und nicht darauf ausgerichtet ist, auf älteren Systemen
zu laufen.

Mit zwei Hauptstrategien verhindern IT-Multis das Aufbereiten alter Systeme und die Reparatur der übrigen 20% der Geräte, die wirklich defekt sind:
■ Erschweren von Reparaturen
■ Vereiteln von Geräte-Upgrades durch eine überhöhte Preispolitik für Ersatzteile und/oder für Reparaturarbeiten

Das beste Beispiel der ersten Variante ist sicherlich die Firma Apple und ihre pentalobularen Schrauben, für die man einen
Schraubenzieher benötigt, den auch die besten Do-it-yourself-Geschäfte nicht im Sortiment führen. Exemplarisch für die zweite Strategie steht eine grosse Computermarke, deren Schweizer Geschäftsstelle 700 Franken für das Ersatzteil eines Laptop-Bildschirms verlangt, das auf dem Internet zum Preis von 70 US-Dollar zu haben ist.

Deshalb etabliert sich allmählich ein Trend aus den USA in der Schweiz: Die Ära der Wegwerf-Computer beenden – hin zu Geräten mit viel längerer Lebensdauer. Das Angebot:
■ PCs, in denen jede Komponente in weniger als 10 Minuten mit normalem Standard-werkzeug ausgewechselt werden kann
■ Bebilderte Reparaturanleitungen und günstige Ersatzteile (auch gebrauchte, sofern keine neuen mehr erhältlich sind)
■ Ein kostenloses, frei verfügbares Betriebssystem und eine grosse Auswahl an freier Gratis-Software
■ Beratung und Reparatur in der ganzen Schweiz

Ganz nach dem Motto: Lang lebe der Computer!

Illustrierter Artikel lesen (pdf, 4,2 Mo)

0

Aggiungi un commento